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Freitag, 05.09.2008

Muslime distanzieren sich vom Münsteraner „Islam“-Lehrstuhl

KRM kündigt Zusammenarbeit auf und nimmt seine Empfehlung für Muhammad Kalisch zurück – Ex-Assistentin Kaddor: „eine extreme Theologie quasi ohne Gott halte ich in der Ausbildung von Religionslehrkräften für höchst bedenklich“

Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM) Ali Kizilkaya teilte heute in Köln mit, dass die Mitgliedsverbände des KRM beschlossen haben, ihre Mitarbeit im Beirat des Centrums für religiöse Studien (CRS) in Münster nicht mehr weiterzuführen.

Er erläuterte, „dass der Grund in der erheblichen Diskrepanz zwischen den Grundsätzen der islamischen Lehre und den veröffentlichten Positionen des Leiters des CRS in Münster liege“.

Kizilkaya führte weiter aus, dass die bereits seit März 2007 eingefrorene Mitwirkung aller Mitgliedsverbände des KRM nun endgültig eingestellt wird und ergänzte, „dass die Mitgliedsverbände des KRM sich nicht weiter in der Lage sehen, muslimischen Studierenden empfehlen zu können, sich an diesem Lehrstuhl einzuschreiben“.

In der Vergangenheit hat es immer wieder Beschwerden seitens der Muslime gegeben auch und besonders von muslimischen Studenten (der Redaktion liegen Namen vor), die Kalischs Vorlesungen besuchen und sich wunderten über die gelehrten Widersprüche zur muslimischen Lehre.

Selbstverständlich kann jeder in Deutschland lehren, was er für richtig hält – es gibt ja schließlich die Freiheit der Lehre und Forschung. Aber wer mit dem Anspruch auftritt, Lehrerinnen und Lehrer für einen zukünftigen Bekenntnis-orientierten islamischen Religionsunterricht in der Schule nach Paragraph 7,3 heranzubilden, der muss schon mit dieser Messlatte rechnen.

Mit 15 Jahren konvertierte Sven Muhammad Kalisch zum Islam. Er arbeitete zunächst als promovierter Rechtswissenschaftler und selbstständiger Rechtsanwalt in Hamburg und engagierte sich dort im schiitischen Zentrum.
Nach der Habilitation 2002 wurde er 2004 ordentlicher Universitätsprofessor für „Religion des Islam“ am Centrum für Religiöse Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo er den Lehramtsstudiengang „Islamunterricht“ verantwortet.

Damals haben die muslimischen Verbände ihre grundsätzliche Unterstützung bei seiner Wahl bekundet, obgleich Kalisch schon seinerzeit Ansätze dieser umstrittenen Sichtweisen aufzeigte. Er wolle aber - so versicherte er damals – sie nicht zum Gegenstand seiner Vorlesung machen.

Im „Centrum“ wird auch Islamische Religionspädagogik durch Kalischs bisherige Assistentin Lamya Kaddor gelehrt. Zwischen beiden entbrannte kürzlich ein heftiger Streit. Nach Angaben der Zeitung Zaman, wurden auch Vorwürfe seitens Kalisch gegen Kaddor laut, sie hätte Forschungsgelder unterschlagen und ihre Promotionsarbeit nicht selbstständig verfasst. Kaddor, die mittlerweile ihre Kündigung einreichte, lässt dies nicht auf sich sitzen und zieht gehen Kalisch vor Gericht. Bestimmte Aussagen darf Kalisch per einstweilige Verfügung mittlerweile nicht mehr verbreiten. In dem Streit ist auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.

Lamya Kaddor kann sich diesen Sinneswandel ihres ehemaligen Professors nur so erklären: „Ich glaube, dass Prof. Kalisch anfänglich eine angemessene Besetzung für diesen Lehrstuhl war“. Sie sei aber nach ausführlichen theologischen Auseinandersetzungen zu der Überzeugung gelangt, „dass er den Aufgaben des Lehrstuhls mittlerweile nicht mehr gerecht wird.“

Gegenüber islam.de führt Kaddor weiter an, dass er ihr in mehreren persönlichen Gesprächen gesagt habe, dass er zum Beispiel „die mehrfache Wiedergeburt" für sich nicht mehr ausschließe und dass er sich der "Advaita-Bewegung" zugehörig fühle [ein philosophisches System, dessen Wurzeln in der altinidischen Vedanta-Bewegung gründen, Anm. islam.de].

Ansichten, wie der Koran sei Muhammads spirituelle Erfahrung und enthalte demnach nicht das direkte Wort Gottes, bedeutet für Kaddor „eine extreme Theologie quasi ohne Gott, die halte ich in der Ausbildung von Religionslehrkräften zumindest für höchst bedenklich.“

Welche Position die Uni Münster bei der ganzen Sache einnimmt ist noch unklar. Die Beschwerden gegen Kalisch kann der Leitung jedoch nicht verborgen geblieben sein, auch der Streit zwischen Kalisch und Kaddor war bekannt. Vor was fürchtet sich die Uni also? Etwa, das der prestigeträchtige erste Lehrstuhl für Islamkunde in der Geschichte der der Bundesrepublik Deutschland nun in Misskredit gerät oder der Ruf der Uni gar Schaden nimmt? Eine systematische Aufklärung ist man nicht nur der Öffentlichkeit gegenüber schuldig. Auch die muslimischen Studentinnen und Studenten wollen wissen, woran sie sind. Im Schulministerium NRW ist man jedenfalls bereits höchst alarmiert. (Hany Jung)