Newsnational Montag, 18.05.2009 |  Drucken

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Hessischer Kulturpreis: "Abrahamisches Forum" sieht Preisträger beschädigt

Erklärung vom ZMD-Vorsitzenden Ayyub Köhler, von der jüdischen Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Petra Kunik u.a. unterschrieben - Ausführliche Begründung auch von Fuat Sezgin zu seiner Ablehung

Die vom Vorsitzenden des Interkulturellen Rat Jürgen Miksch initiierten Erklärung haben der ZMD-Vorsitzender Axel Ayyub Köhler, die jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Frankfurt Petra Kunik und der Vizepräsident der Stiftung Weltethos Karl-Josef Kuschel unterzeichnet; dort heißt es:

„Es ist anzuerkennen, dass in diesem Jahr der Hessische Kulturpreis dem herausragenden Engagement für das friedliche Miteinander der drei großen abrahamischen Weltreligionen - Christentum, Judentum, und Islam - gewidmet wird. Unter den Preisträgern ist Prof. Dr. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden, der ein Gründungsmitglied des Abrahamischen Forums in Deutschland ist.

Die unsensible Auswahl der Preisträger durch die Jury hat erheblichen Schaden angerichtet. Unter den Preisträgern ist nun keine muslimische Persönlichkeit, da Navid Kermani der Preis aberkannt wurde. Dabei hat sich Navid Kermani als Wissenschaftler und Schriftsteller um die Verständigung von Orient und Okzident und um das Miteinander von Menschen aus abrahamischen Religionen verdient gemacht.

Die jetzt deutlich werdenden kulturellen Differenzen sollten positiv aufgegriffen werden und nicht zu einer neuerlichen Belastung des Miteinander führen - dies wäre das Gegenteil der Intentionen des Hessischen Kulturpreises. Ein Scheitern der Preisverleihung wäre das allerschlechteste Resultat - es würde jene Kräfte stärken, die gegen ein gutes Miteinander von Juden, Christen und Muslimen sind.

Durch die öffentliche Diskussion wird teilweise der Eindruck vermittelt, dass der Dialog von Juden, Christen und Muslimen in Deutschland "gescheitert" ist. Das trifft nicht zu. Zwar gibt es viele ernstzunehmende Auseinandersetzungen, die aber bisher immer wieder zum Positiven gewendet werden konnten. Es ist eine Erfahrung des Abrahamischen Forums inDeutschland, dass Streitpunkte uns insgesamt weiter gebracht haben. Wir hoffen, dass dies auch wieder gelingt und dass durch die Form der Verleihung es Hessischen Kulturpreises gezeigt werden kann, wie vielfältig und erfreulich bereits jetzt die Kooperationen von Juden, Christen und Muslimen in Deutschland sind.


In einer Stellungnahme, die islam.de vorliegt, begründet Fuat Sezgin (rechts im Bild), wie es zur Ablehnung des Kulturpreises gekommen ist:

„Nachdem meine Gründe für die Ablehnung des Hessischen Kulturpreises 2009 in den letzten Tagen nicht immer ganz korrekt wiedergegeben wurden, und weil ich vermeiden möchte, dass die interreligiöse Verständigung durch Missverständnisse unnötig belastet wird, möchte ich Folgendes zur Kenntnis geben: Dass ich den Hessischen Kulturpreis nicht annehmen wollte, liegt keineswegs daran, dass ich Prof. Dr. Salomon Korn als meinen „Gegner“ ansehe, weder persönlich noch in allgemeiner politischer Hinsicht. Im Gegenteil achte und schätze ich Korn als Vertreter der jüdischen Gemeinde und als eine wichtige intellektuelle Stimme Deutschlands insgesamt. Als man mir Anfang Dezember mitteilte, dass ich mit Prof. Dr. Salomon Korn, Prof. Dr. Dr. Karl Kardinal Lehmann und Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Steinacker den Hessischen Kulturpreis erhalten würde, habe ich mich außerordentlich gefreut, gerade auch über diese an G.E.Lessing erinnernde Geste gegenüber allen drei abrahamitischen Religionen. Ich sagte am 9. Dezember 2008 schriftlich zu mit den Worten: „Mit dieser Auszeichnung fühle ich mich hoch geehrt und weiß deren Bedeutung zu würdigen.“

Es war lediglich die von Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Salomon Korn und Dr. Dieter Graumann unterzeichnete Erklärung vom 10. Januar 2009 mit ihrer sehr einseitigen Befürwortung der damals virulenten militärischen Aktivitäten Israels in Gaza, die mich enttäuscht hat. Es hieß darin unter anderem, weil die Hamas Zivilisten als Schutzschilde missbrauche, trage sie „die alleinige Verantwortung für die zivilen Opfer auf beiden Seiten“. Später werden die an sich richtigen Feststellungen: „Jedes Menschenleben zählt. Jedes Opfer – gleichgültig auf welcher Seite - ist eines zu viel“ durch den Nachsatz relativiert: „Es gibt keinen sauberen und ehrenhaften Krieg, der die Zivilbevölkerung schützt, wenn man gegen Terroristen kämpft.“ Dieses Freisprechen des Staates Israels von jeder Mitverantwortung und das kategorische Ausschließen von Überlegungen, ob auch auf nicht-militärischem Weg eine Lösung hätte gefunden werden können, lehnte ich ab. Ich teilte der Staatskanzlei mit, „dass es mir als striktem Gegner militärischer Konfliktlösungen in der heutigen Welt unmöglich ist, unter diesen Umständen den Preis anzunehmen“. Am 3. März bat man mich, meine Entscheidung nochmals zu überdenken, und so schrieb ich zwei weitere Tage später: „Bei meinen Überlegungen der letzten beiden Tage hat mich eine ernsthafte Erforschung meines Gewissens zu der Überzeugung geführt, dass ich meine Entscheidung nicht ändern kann. Dafür bitte ich um Verständnis.“

Ich möchte betonen, dass meine Ablehnung aus allgemeinen Erwägungen eines Kulturhistorikers heraus geschah. Hätte ich, unter anderen Umständen, gemeinsam mit dem Vertreter einer anderen Bevölkerungsgruppe ausgezeichnet werden sollen, der ähnlich gelagerte Militärhandlungen in einem anderen Teil dieser Welt befürwortete, hätte ich nicht anders gehandelt. An einer öffentlichen Diskussion darüber möchte ich, der ich meine Aufgabe vor allem in der Wissenschaft sehe, nicht teilnehmen; dies habe ich dem Vertreter der Staatskanzlei vergangene Woche bereits mitgeteilt.“





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