Newsnational Mittwoch, 26.11.2014 |  Drucken

Koloniales Erbe in Deutschland

Pressefahrt in Berlin und Straßennamen, die immer noch nach grausamen Rassisten benannt sind

Die deutsche Kolonialgeschichte endete 1918 nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Hitler verkündete nach seiner Machtübernahme, er werde dem Deutschen Reich wieder zu Kolonien verhelfen. Vorbild war der italienische Duce Benito Mussolini. 1935 unterwarf er das afrikanische Äthiopien und machte daraus eine Kolonie Italiens. Hitler musste es bei seinen großspurigen Ankündigungen lassen, die deutsche Kolonialzeit fand keine Renaissance. Das koloniale Erbe, besonders das afrikanische, ist aber immer noch allgegenwärtig in Deutschland. Bis heute handeln Kolonialwarenhändler mit Kolonialwaren. Fragt sich nur, aus welchen Kolonien stammen denn diese Güter? Ein Hinweis auf die Kolonialzeit sind in vielen hiesigen Städten auch die Namen von Straßen und Plätzen. Nach kaiserlichen Kolonialbeamten und Kolonialoffizieren sind sie benannt. Oft unabhängig davon, wie grausam der Deutsche in Afrika einst regiert hat.  

Ein trauriges Beispiel ist der deutsche Politiker, Publizist und Afrikaforscher Carl Peters (1856 - 1918). Er gründete im März 1884 die "Gesellschaft für Deutsche Kolonisation." Im Herbst 1884 reiste er nach Ostafrika. Stammesfürsten legte er, oft nach dem Genuss von reichlich Alkohol, Verträge in deutscher Sprache vor. Die Stammesverantwortlichen unterzeichneten diese Schutzverträge. Reichskanzler Otto von Bismarck missfielen diese Verträge. Er nannte sie "ein Stück Papier mit Neger - Kreuzen" in Anspielung darauf, dass die allermeisten Häuptlinge nicht schreiben konnten und mit Kreuzen den Vertrag unterzeichnet hatten. Als Peters drohte, diese Verträge dem König von Belgien, Leopold, zu verkaufen, lenkte Bismarck ein. Er überreichte dem Kolonialisten den kaiserlichen Schutzbrief. In Ostafrika regierte Carl Peters sehr grausam und ließ viele Einheimische schon für ein  kleinstes Vergehen aufhängen. Das führte dazu, dass man vom "Hänge - Peters" im Reich sprach. 1897 entließ man den "Schlächter von Afrika" deshalb unehrenhaft aus dem Reichsdienst. Hitler hob posthum 1937 diese Entlassung wieder auf.  

Nicht allein nach Peters sind Straßen benannt worden, auch die Afrikaforscher Lüderitz und Nachtigal sind immer noch in deutschen Städten präsent. Im November fand eine Pressefahrt durch Berlin mit Monika Lüke, der Beauftragten des Senats für Integration und Migration, statt. An Plätzen in der Bundeshauptstadt konnte man erfahren, wie bis heute das koloniale Erbe nachwirkt. Nach einer Stadt im heutigen Namibia ist die Weddinger Otawistraße benannt. Sie erinnert an das koloniale Erbe von "Deutsch - Südwest." Ein ganzes Viertel hat im Wedding Namen von afrikanischen Ländern und dort wirkenden deutschen Kolonialbeamten erhalten. Daher heißt es "Afrikanisches Viertel." Otawistraße klingt ja noch nach einer Historie und bereitet hier lebenden Mitbürgern mit afrikanischen Wurzeln nicht so viele Magenschmerzen wie die im Bezirk Mitte gelegene Mohrenstraße.   Yonas Endrias koordiniert das Projekt "Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel" an der Volkshochschule Berlin - Mitte. Er teilte mit: "Der Mohr gilt als dummer Neger. Das sind wir nicht, das waren wir nie, das wollen wir auch nicht länger im Namen sein. Wir kämpfen seit vielen Jahren darum, dass dieser Straßenname endlich abgeschafft wird."

Es erübrigt sich von selbst, dass aus Afrika stammende Menschen sich schämen, mit der U - Bahn an dieser Station vorbeizufahren oder spazieren zu gehen. Zu oft kommen rassistische Bemerkungen vor oder die anderen Fahrgäste in der U - Bahn lachen einen aus. Es gibt also noch viel zu tun, nicht nur in Sachen Straßennamen in Deutschland.

Erinnert sei daran, bereits 2001 hat die UNO den transatlantischen Handel mit Versklavten als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" deklariert. Der integrationspolitische Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Rainer - Michael Lehmann, sagte gegenüber Islam.de: "Die afrikanische Community ist noch nicht so stark und aktiv wie beispielsweise die türkische oder arabische. Die afrikanische Community wächst aber von Jahr zu Jahr und somit wird sie auch immer mehr gehört werden." Damit werden solche Schandnamen, so der Abgeordnete Lehmann, auch bald schon Geschichte sein. Alles bedarf einer gewissen Zeit! (Volker-Taher Neef, Berlin)



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