Newsinternational Dienstag, 14.04.2015 |  Drucken

Missbrauch von religiösen Bedürfnissen mit satirischen Spitzen

Bollywood-E.T. ärgert Gurus

Kennen Sie Amir Khan? In seiner Heimat Indien wird der «Bollywood»-Schauspieler geradezu vergöttert. Sein neuester Film aber sorgt für heftige Kontroversen - weil er von Göttern und Religion handelt. Bonn (KNA) Er sieht harmlos aus, der Außerirdische, der im Film «PK» von einem UFO in der indischen Pampa abgesetzt wird. Keine Tentakel, keine Reißzähne, wie Filmfans sie aus Alien und Co kennen. Stattdessen grüne Kulleraugen, Segelohren und der stattliche Körper von Bollywood-Superstar Aamir Khan, der den Besucher aus dem Weltall darstellt. Doch der harmlose Eindruck täuscht: «PK», der im Dezember 2014 in Indien startete und an diesem Donnerstag auch in deutsche Kinos kommt, hat Biss. Allerdings keinen blutrünstigen, sondern einen satirischen. Der Film rechnet komödiantisch mit etwas ab, was nicht nur in Indien die Gemüter erhitzt: mit der Religion. Ganz ofenbar hat Regisseur Rajkumar Hirani in seiner Heimat einen Nerv getroffen. Als kommerziell erfolgreichster Film Indiens stellte «PK» einen neuen Rekord auf, provozierte gleichzeitig aber heftigste Anfeindungen. Da gab es Forderungen nach einem gerichtlichen Verbot, Demolierungen von Kinos, öffentliche Verbrennungen von Filmplakaten und heftige Debatten in den Sozialen Netzwerken. Der Grund dafür ist eine Abrechnung mit religiösen Praktiken, geschickt verpackt in eine launige Geschichte zwischen Komödie, Romanze und Science-Fiction-Abenteuer. Im Mittelpunkt steht der nette Außerirdische Tipsy (Khan), dem auf der Erde ausgerechnet das Gerät geklaut wird, mit dem er sein Mutterschiff anfunken kann und ohne das er nicht in seine Heimat zurückkommt. Sein Eigentum wieder zu beschaffen, scheint ein unlösbares Problem zu sein. Bis der Bollywood-E.T. lernt, dass die Erdlinge eine Abhilfe für unlösbare Probleme kennen: Wenn sie etwas nicht selbst schaffen, wenden sie sich an Gott. Tipsy will es ihnen gleichtun und fängt mit Feuereifer an zu beten, zu opfern und zu wallfahren, wobei er neben hinduistischen Kultstätten auch christliche Kirchen und muslimische Moscheen nicht auslässt. Doch statt göttlichen Beistands trifft er allerorten nur auf Gläubige, die aggressiv auf den unwissenden Außenseiter und seine Fragen reagieren, oder Gurus, die lieber die Hand für Spenden aufhalten, als sie jemandem zu reichen, der Hilfe braucht. Schließlich findet er immerhin irdischen Beistand in Form einer jungen indischen Journalistin (Anushka Sharma) aus strenggläubiger Hindu-Familie, die ihrerseits auch eine Leidensgeschichte hinter sich hat, weil einst ihre große Liebe zu einem muslimischen Pakistaner an den religiösen Vorbehalten zerbrach. «PK» ist kein antireligiöser Film. Doch er fordert dazu auf, zu unterscheiden zwischen «dem Gott, der alles erschaffen hat», und dem, «der von Menschen erschaffen wurde», wie es an einer Stelle heißt. Auch wenn dabei hinduistische Glaubenspraktiken aufs Korn genommen werden, zielt die Kritik des Films weniger auf eine bestimmte Religion ab als generell auf den Missbrauch von religiösen Bedürfnissen: Die satirischen Spitzen richten sich gegen die Kommerzialisierung des Glaubens, gegen Fanatismus, gegen blinden Aberglauben; und sie fordern auf, aus humanistischer Perspektive religiöse Bräuche zu hinterfragen. Dafür verwendet Rajkumar Hirani einen Erzählkniff in bester aufklärerischer Tradition: Wie einst Montesquieu (1689-1755) in seinen «Persischen Briefen» lässt auch der Regisseur von «PK» einen fiktiven Fremden auf die eigene Gesellschaft blicken und fragen, welche ihrer Gebräuche den Maßstäben der Vernunft standhalten und welche nicht. Dass Hirani dieses Anliegen in die Form typischen Bollywood-Unterhaltungskinos gegossen hat, mit Tanz und Musik, mit populären Stars, burleskem Humor und ein bisschen Herzschmerz, hat «PK» dazu verholfen, ein Massenpublikum für das Thema zu sensibilisieren. Was eine beachtliche Leistung ist in einem Land, in dem 2014 mit der hindu-nationalistischen Partei Bharatiya Janata (BJP) gesellschaftliche Kräfte Oberwasser gewonnen haben, die religiöse Toleranz und liberales Denken immer schwerer machen.




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