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Dienstag, 29.03.2005

Immer mehr Banken entwickeln spezielle Finanzprodukte, die dem islamischen Glauben entsprechen

Marktpotenzial: Nach Schätzungen sind 200 bis 300 Milliarden Dollar weltweit nach den Prinzipien des islamischen Rechts angelegt. Das Wachstum für die nächsten Jahre liegt Experten zufolge bei 15 Prozent jährlich.

dpa -Wie hoch die Nachfrage in den westlichen Ländern ist, lässt sich nicht beziffern. Doch die Zahl der Angebote wächst. So hat im vergangenen Jahr die erste rein islamische Bank in England eröffnet, mehrere Filialen sollen in diesem Jahr folgen. Langfristig will die Islamic Bank of Britain auch nach Deutschland expandieren. "Es ist ein Markt, den man nicht unterschätzen sollte", sagt Martin Keil von der Geschäftsleitung der Commerzbank-Tochter Cominvest. Die Investmentgesellschaft bietet seit fast fünf Jahren einen speziellen Fonds an, der der traditionellen islamischen Rechtsprechung (Scharia) entspricht.

Grundlage für das islamische Finanzwesen ist das Zinsverbot. "Gott hat zwar den Handel erlaubt", sagt Islamwissenschaftler und Anwalt Kilian Bälz, der sich auf Finanztransaktionen mit islamischen Ländern spezialisiert hat. Verboten ist aber der "riba". Über die genaue Bedeutung des Wortes streiten die Gelehrten: Die Minderheit legt "riba" als "Wucher" aus. Die Mehrheit versteht darunter jedoch alle Zinsen, und folglich sind festverzinsliche Darlehen untersagt. Gewinne sind nur dann erlaubt, wenn das unternehmerische Risiko mitgetragen wird.

Hauskauf mit Besonderheiten

Banken, die mit Moslems ins Geschäft kommen wollen, müssen deshalb besondere Finanzierungsinstrumente wählen. Will sich zum Beispiel ein Moslem ein Haus kaufen, bekommt er keinen Kredit. Stattdessen erwirbt die Bank das Haus und verkauft es mit einem Aufpreis an den Interessenten in Raten weiter. Dieses Konstrukt wird "murabaha" genannt. Zur Finanzierung von Firmen beteiligt sich eine Bank für eine bestimmte Zeit an einem Unternehmen und erhält dafür einen festgelegten Prozentanteil am Gewinn. Verdient die Firma wenig oder geht pleite, trägt die Bank das Risiko mit.

Nicht nur Zinsen selbst sind verboten. Fondsmanager dürfen auch keine Aktien von Unternehmen kaufen, die ihr Geld auch mit Zinseinnahmen verdienen wie zum Beispiel Banken. Außerdem seien Firmen, die Alkohol ausschenken, mit Tabak handeln oder im Erotikgeschäft arbeiten, tabu, sagt Cominvest-Experte Keil. "Beate Uhse wäre zum Beispiel außen vor." Von etwa 2000 potenziellen Unternehmen, in die beispielsweise eine Bank investieren könnte, bleiben Keil zufolge so nur noch 300 bis 400. Über die Zusammenstellung des Fonds wachen fünf Scharia-Gelehrte.

Fonds unter Scharia-Aufsicht

Der "Al Sukoor"-Fonds der Cominvest richtet sich vor allem an Privatanleger. Daneben gibt es in Deutschland zum Beispiel noch einen Fonds der UBS-Gruppe, den Noriba Global Equity Fonds, und die Deutsche Bank bietet Zertifikate auf die von Dow Jones entwickelten Islamic-Market-Indizes an.

In Deutschland sind zwar zum Beispiel eine Reihe türkischer Banken vertreten, die ganz normale Bankprodukte - wie deutsche Geschäftsbanken auch - anbieten. Kunden, die nach islamischem Recht ihr Haus finanzieren wollen, stehen jedoch schlecht da. "Wir haben über 2000 Banken, und keine, die sich auf Muslime ausrichtet", kritisiert der* freiberufliche Berater für islamische Finanzprodukte, Michael Gassner*. Streng gläubige Muslime würden wegen fehlender Alternativen zum klassischen Kredit entweder auf ein Eigenheim verzichten. "Oder sie müssen ein konventionelles Darlehen aufnehmen, fühlen sich aber nicht wohl dabei."



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    -Tagung zum Thema Islamische Finanzen in Köln
        -> (http://www.islamicfinance.de/koelntagung.pdf)