islam.de - Druckdokument - Druckdatum: Donnerstag, 28.03.24
http://www.islam.de/32352.php


islam.de - Alle Rechte vorbehalten

Montag, 29.06.2020


Mann im hohen Alter, geflüchtet aus Syrien

Fast 80 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter 30 Millionen Kinder - Wo bleibt die Hilfe?

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi fordert eine grundlegend neue und positivere Haltung gegenüber allen Menschen auf der Flucht - Grenzschließungen setzen das Recht auf Asyl außer Kraft

Genf/Bonn Noch nie hat es weltweit mehr Flüchtlinge gegeben als im vergangenen Jahr. Rund 79,5 Millionen Menschen und damit mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung befanden sich 2019 auf der Flucht, wie aus dem am Donnerstag in Genf veröffentlichten Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hervorgeht. Damit habe sich die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt, hieß es. Eine Verbesserung der Situation sei nicht absehbar.

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi forderte eine grundlegend neue und positivere Haltung gegenüber allen Menschen auf der Flucht. Auch brauche es viel mehr Entschlossenheit, jahrelange Konflikte zu lösen.

Mehr als zwei Drittel der Flüchtlinge stammen laut der Statistik aus den fünf Ländern Syrien, Venezuela, Afghanistan, dem Südsudan und Myanmar, wobei die Zahl in dem arabischen Kriegsland mit rund 6,6 Millionen Menschen deutlich am höchsten liegt. Besonders zugenommen habe dort wie auch weltweit die Zahl der Binnenvertriebenen, also der Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes fliehen. Diese sei global um mehr als 4 Millionen auf rund 45 Millionen gestiegen.


Griechenländische Küste Lesvos, Strandung von Tausenden Geflüchteten und Familien
Finanzielle Unterstützung für humanitäre Hilfe nur ein Prozent des Umsatzes des jährlichen weltweiten Waffenhandels

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD) appellierte an die Verantwortung der Weltgemeinschaft. Trotz umfassender Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie müsse der Schutz der Flüchtlinge weltweit sichergestellt werden.

Die Hilfsorganisation Care kritisierte, dass die finanzielle Unterstützung für die humanitäre Hilfe nur ein Prozent des Umsatzes des jährlichen weltweiten Waffenhandels ausmache. Amnesty International bemängelte, dass immer weniger europäische Staaten bereit seien, Menschen in Not aufzunehmen. In Deutschland müssten Abschiebungen für Migranten aus Syrien und Afghanistan gestoppt werden.

Die Welthungerhilfe macht auf die Lage der Binnenvertriebenen in Syrien aufmerksam. Infolge der Corona-Pandemie seien die Preise etwa für Lebensmittel zuletzt rasant gestiegen; die Menschen in den Lagern kämpften ums Überleben.

In Venezuela ist laut der Kinderhilfsorganisation World Vision zurzeit jedes vierte Kind dauerhaft von den Eltern getrennt. Nach der UN-Statistik sind weltweit mehr als 30 Millionen Kinder von Vertreibung betroffen, viele davon unbegleitet. Das Bündnis "Aktion Deutschland Hilft" verwies auf wachsende Flüchtlingszahlen in Großstädten. Urbane Probleme wie Wohnraummangel und Kriminalität würden dadurch verschlimmert.


Flüchtlingskind aus Syrien
Jedes vierte Kind dauerhaft von den Eltern getrennt - bei Corona-Infektionsgefahr und fehlender sanitärer und medizinischer Versorgung

Nach Angaben des Deutsches Roten Kreuzes haben viele Syrer, die in den Libanon geflohen sind, in der Corona-Pandemie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Zudem seien ihre finanziellen Mittel oft zu knapp, um ihren Lebensunterhalt damit zu decken. Der wirtschaftliche Zusammenbruch des Landes nach der Pandemie treffe die syrischen Flüchtlinge dort besonders hart.

Das Aktionsbündnis "Entwicklung Hilft" beklagte, mit Grenzschließungen werde das Recht auf Asyl faktisch außer Kraft gesetzt. Durch die Corona-Krise werde die Lage für die Flüchtlinge nicht nur gefährlicher; in der Öffentlichkeit würden sie auch zunehmend unsichtbar.

Der Malteser Hilfsdienst warnte, dass wegen der Grenzschließungen Menschen in Flüchtlingslagern mit schlechter sanitärer und medizinischer Versorgung festsäßen. Dadurch seien sie einer höheren Corona-Infektionsgefahr ausgesetzt.