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Mittwoch, 05.04.2006

Brennpunkt Schule: Muslime können auch was tun – wenn man sie lassen würde

Warum eine Neuauflage des MJD-Programms „TA'RUF“ und ähnliche Programme jetzt dringend geboten ist

islam.de - Die Brandbriefe von Berliner Lehrern wegen der Gewalt an ihren Schulen haben bundesweit eine hitzige Debatte über die Integration von Zuwandererkindern ausgelöst. Bundesbildungsministerin Annette Schavan schlug in der "Financial Times Deutschland" die Unterbringung von aggressiven Schülern in Internaten vor. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach forderte im "Tagesspiegel" einen "Integrationsgipfel". Der Bürgermeisterkandidat der Union in Berlin Pflügler will bestimmte Schüler aus Deutschland ausweisen. Stammtischparolen – allgemeine Hysterie und dann?

Es wird Zeit, dass mit den Betroffenen, Eltern, Schülern und Lehrern direkt gesprochen wird. Best practice-Projekte sind zu zeigen und andere Institutionen wie Wohlfahrtsverbände, Jugendorganisationen und selbst muslimische religiöse Einrichtungen sollten schleunigst gehört werden. Denn dort wird das Thema auch "brennend" diskutiert und zwar nicht erst seit heute; dort sind immer wieder viele Vorschläge gemacht und manche auch erfolgreich umgesetzt worden.

Eine Chance verpasst? Vor zwei Jahren meinte z.B. die jetzt in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Lehrerin Frau Baßel der Berliner Rütli-Oberschule über das Schulprojekt "TA'RUF", eines der der Muslimischen Jugend in Deutschland (MJD) nahe stehenden Pilotprojektes in Berlin, dass das Projekt sowohl bei ihr als auch bei meinen Schülern sehr positiv aufgenommen wurde.

Die Muslimische Jugend führte ein solches Projekt gegen Vorurteile, Gewalt und für Toleranz, mehr Zukunftsperspektiven und den interreligiösen Dialog in Berliner Hauptschulen sozialer Brennpunkte durch. Damit wollte die MJD u.a. zeigen, dass Muslime hier beheimatet sind, dass sie auch für die Probleme in der Gesellschaft Verantwortung tragen möchte. Sie wollten es nicht hinnehmen, wenn z.B. muslimische Schüler ihre Lehrerinnen schlecht behandeln, den Ramadan als Ausrede benutzen oder ihre Mitschüler als Ungläubige beschimpfen und dieses Verhalten mit dem Islam rechtfertigen.

Junge Referenten mit Migrationshintergrund, zwischen 20 und 30 Jahre, wurden in den Themen Konfliktmanagement, Psychologie, interkulturelles Lernen geschult und besuchten dann zu dritt an Projekttagen die Schulen. Unter den jungen Referenten waren auch ein Buddhist aus Vietnam und Christinnen aus Nigeria und Argentinien.
Die MJD hätte eine solche Eskalation vielleicht nicht verhindern, aber durchaus abfedern können.

Der Jugendverein fiel dann später leider wegen einer unhaltbaren politischen Bemerkung im inzwischen geschlossenen Forum auf seiner Internetseite auf. Durch die anschließend in der Presse aufgestellten Vorwürfe aufgeschreckt, distanzierte sich der damalige Vorstand von dieser Bemerkung.

Nachdem das Bundesjugendministerium zwei Jahre das Projekt förderte, nötigte dieser Vorwurf die Behörden, diese gut angelegten Mittel dafür einfach zu streichen. In der Berliner Öffentlichkeit wurde die MJD gebrandmarkt und man gab ihr keine Chance, trotz der eigenen Selbstkritik aus der Sache raus zu kommen. Im Gegenteil, das Projekt hinterließ eine verbrannte Erde. Ähnlich gelagerte Fälle anderer oder sogar professionelleren Projektanträge wurden einfach mit dem Verweis auf diese Erfahrung abgelehnt.
Heute sollte Politik und Behörden darüber ernsthaft nachdenken, Projekte wie „TA'RUF“ und andere wieder aufzulegen. Denn die Probleme können nur mit den Muslimen und nicht gegen sie gelöst werden.

Man darf sich dabei vom Sarkasmus nicht blenden lassen, dass einigen lieber ist, wenn Migrantenkinder kriminell und untauglich für die Gesellschaft bleiben, als durch eine vermeintliche Islamisierung zu einem anständigen, Steuer zahlenden und Familien gründenden deutschen Bürger erzogen werden.

Man sollte sich auch bewusst werden, dass so lange die gefährlich durchgedrehten Hooligans-Schülern mit pseudoreliöse Rechtfertigung wüten, so lange sich auch mancher Lehrer als Speerspitze zur Verteidigung des Abendlandes gegenüber muslimischen Schülern versteckt hält, diese Auswüchse als Futter für Medienauflagen und Wahlkampfarenen weiterhin dienen.




Lesen Sie dazu auch:

    -Interkultureller Rat: Konfliktprävention und -intervention durch Fortbildung und Vernetzung - Broschüre zum Runterladen
        -> (http://www.interkultureller-rat.de/Themen/Islamforum/06_0221_B_Islamforum_NRW.pdf)