Newsnational Donnerstag, 28.10.2004 |  Drucken

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40 Jahre Aachener Bilal-Moschee

Seit vier Jahrzehnten konstruktive Gemeindearbeit der Mitglieder, teilweise in der vierten Generation - Die Moschee ist längst erweiterungsbedürftig - Grußwort des Zentralratsvorsitzenden zum Jubiläum.

Am Freitag, den 1.Oktober 2004, wurde das 40-jährige Jubiläum der Bilal-Moschee in Aachen begangen - und dieser Anlass wurde herzlich gefeiert. Hochrangige Redner wie der Islamgelehrte und ehemalige Vorsitzende, Professor Issam El Attar, Vertreter der hiesigen katholischen sowie evangelischen Gemeinden und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Dr. Nadeem Elyas, nahmen sich - zur Freude der Anwesenden - die Zeit, um einige amüsante, ebenso ernste und nachdenkliche Worte zu sprechen.

Selbst die Polizei war der Einladung zur Festlichkeit gefolgt. Wer an diesem Abend erhofft wurde, jedoch kurzfristig absagte, war Oberbürgermeister Jürgen Linden. Zum Bedauern der Gastgeber kam auch sein versprochener Ersatzredner nicht. Dies tat der festlichen Stimmung jedoch keinen Abbruch.

40 Jahre - nicht viel aber auch nicht wenig

Gleich zu Beginn der Festveranstaltung wurde deutlich, was die vergangenen 40 Jahre prägte: «Schon bei den Gründern galt folgendes Motto: Unsere Moschee sollte für Unabhängigkeit, Konstruktivität und gegen Gewalt stehen» sagte das langjährige Vorstandsmitglied der Bilal-Moschee, Frau Hildegard Mazyek in ihrer Begrüßungsrede und fügte bescheiden hinzu «40 Jahre Bilal-Moschee - das ist nicht sehr viel aber auch nicht wenig.»

Dies griff Dr. Nadeem Elyas bei seiner Ansprache auf und äußerte die Hoffnung, Aachens Stadtverwaltung möge sich in Zukunft konstruktiver zeigen, wenn es um die lange fällige Baugenehmigung für den Ausbau der Moschee geht - als Zeichen der Anerkennung für die itegrative und konstruktive 40 jährige Nachbarschaft.

Mit viel Energie

Bei nahöstlichen Spezialitäten und langen Gesprächen gedachte man der langen Vergangenheit der Bilal- Moschee. Aber man blickte ebenfalls in die Zukunft: «Den Jungen gehört die Welt», hatte Professor El Attar kurz zuvor in seiner energischen Rede betont.

Und angesichts der Energie, mit der besonders die jungen Muslime dem Fest zum prächtigen und angenehmen Ereignis verhalfen, darf man sich auf die kommenden 40 Jahre der Bilal-Moschee freuen. (Auszug Aachener Zeitung/Anna Gielas; leicht modifiziert)


Grußwort des Zentralratsvorsitzenden, Dr. Nadeem Elyas:

40-jähriges Jubiläum des Islamischen Zentrums Aachen (Bilal-Moschee)

"Eine trotzige Burg ist das, und keine Moschee!", so dachten wir, meine Frau und ich, als wir zum ersten Mal vor der Bilal-Moschee vor einigen Jahrzehnten standen.
Mächtige Mauern, naturbelassene Betonwände, Gucklöcher, die eher dazu geeignet wären, daraus zu schießen, als das spärliche Sonnenlicht hineinzulassen .. Gäbe es nicht die Kuppel und das symbolische Minarett, wäre das bei uns so liebevoll gehegte Bild von einer Moschee völlig zerstört worden.
Zu jener Zeit waren Moscheen in Deutschland auf einer Hand zu zählen und in der Frankfurter Gegend, aus der wir damals angereist kamen, schon gar nicht zu finden. Und so ließen wir uns vom ersten Eindruck nicht verscheuchen und gingen hinein.
Unsere Befremdung schlug drinnen in Faszination um als wir zum ersten Mal dem damaligen Direktor des Islamischen Zentrums Aachen begegnet sind. Ein im Verhältnis zu unserem damaligen jungen Alter älterer Mann - um nicht alter Mann zu sagen, von den Nachfolgen einer schweren Erkrankung noch gezeichnet, sanft, leise, schüchtern, der sich aber zu einem tobenden Sturm verwandelt, wenn er hinter dem Pult steht.
Kämpferisch verkündet er seine Botschaft mit letzter Kraft, hat man den Eindruck, als wäre es seine letzte Rede, und ermahnt eindringlich zu Prinzipien, die bis heute die Linie dieses Zentrums prägen:
Rückbesinnung auf die Werte des Islam, Bewahrung der eigenen Identität, Mäßigung, Unabhängigkeit der islamischen Institutionen und Wahrung ihrer Entscheidungsfreiheit, Bruderschaft in der Menschheit, Öffnung und Dialogbereitschaft, positives Denken und konstruktives Handeln.
Hörte man Issam El-Attar ohne Übersetzung, würde man denken, er macht dem Rest der Welt eine Kampfansage. Für ihn war es - und ist immer noch - in der Tat ein Kampf, ein Kampf für eine gerechtere friedliche Welt, für ein zivilisiertes Miteinander, für ein bewusstes Engagement der Muslime in jeder Gesellschaft, für ein verantwortungsvolles gemeinsames Auftreten für die Rechte aller.
Die Faszination dieses Zentrums hielt lange und erleichterte mir später die Entscheidung, als mir eine Facharzt-Ausbildungsstelle in Krefeld angeboten wurde. Die Antwort lautete auf Anhieb ja, wegen der Nähe zu Aachen. Nicht in Krefeld suchten wir unsere Wohnung, sondern in Aachen und ich nahm täglich 200 KM in Kauf für den Preis, dass meine Familie und unsere Kinder die Nähe dieses Zentrums genossen.

Meine Damen und Herren,
Generationen von Muslimen bot diese Moschee seit ihrer Existenz Erziehung, Bildung und Rechtleitung an Hand der genannten Prinzipien.
In der islamischen Welt ist der Name der Stadt Aachen überall durch das Islamische Zentrum und die Bilal-Moschee bekannt.
Viele ehemalige Mitglieder und Freunde der Bilal-Moschee, die Deutschland verlassen haben, halten nicht nur der Stadt Aachen, sondern Deutschland die Treue, darunter viele hohe Funktionsträger, stellvertretende Minister, Minister, ja gar Premierminister.. in Indonesien, Ägypten, Saudi Arabien, Pakistan usw. Sie alle waren und sind noch Träger dieser Botschaft der Mäßigung und Konstruktivität und stellen Brücken zwischen ihren Ländern und Deutschland im kulturellen und wirtschaftlichen Sinne dar.
Tausende Kinder erhielten hier ihre islamische und gleichzeitig integrative Erziehung. Tausenden Familien wurde der respektvolle Umgang mit anderen Religionsgemeinschaften vorgelebt und ihnen der Weg des Dialogs mit Christen, Juden und Andersgläubigen islamisch eingeebnet.

Noch viel mehr hätte diese Moschee leisten können, hätte die Stadt Aachen das Geschenk des IZA, das diese Gemeinde der Stadt nach dem 25-jährigen Jubiläum machen wollte, angenommen und der Errichtung des damals geplanten Kulturzentrums zugestimmt.
Mit dem würdigen Komplex, in dem Sportanlagen, Seminarräume, Hörsäle auch zur Verwendung der RWTH, Kindergarten, Schule, Bibliothek und ein angemessenes Gotteshaus vorgesehen war, hätte Aachen sein Image als weltoffene Europastadt betonen und die Tradition Karl des Großen und Harun Alrashid fortsetzen können.

Waren 25 Jahre nicht ausreichend für die Bildung einer Vertrauensbasis zwischen der Stadt und der muslimischen Gemeinde? Nun haben die Muslime weitere 15 Jahre dazu gelegt, Jahre in denen die Gesetzestreue und die Verbundenheit mit dieser Gesellschaft unter Beweis gestellt wurden, Jahre mit schrecklichen Ereignissen und Prüfungen nach dem 11. September 2001, die die Treue dieser Gemeinde und ihr Festhalten an den genannten Prinzipien bewiesen haben.
Nun sind es 40 Jahre geworden, die den Ratsdamen und -herren hoffentlich eine positive Entscheidung zur Erweiterung oder zum Anbau der Bilal-Moschee erleichtern können.

Meine Damen und Herren,
der beschriebene Weg der Öffnung und des Dialogs war für diese Moschee kein politisches Kalkül oder pragmatische Taktik. Er war und ist immer noch ein Prinzip, auch für den neuen Vorstand des IZA unter der Leitung des Direktors Herrn Dr. Nakdali und der Mitwirkung von Herrn Dr. Halabi, Schwester Hildegard Musaiek, Schwester Muna Taiba und Herrn Ahmad Allaoui.
Dieses Zentrum war maßgebend bei der Gründung des Zentralrats der Muslime in Deutschland beteiligt, als eine Einheitsebene und als Mittel zur Öffnung auf die Gesellschaft und zum Dialog.
Dieses Zentrum ist eine der wichtigsten Stützen für unsere Arbeit auf Bundesebene, wofür ich mich im Namen aller ZMD-Mitglieder bei unseren Geschwistern in Aachen bedanke.
In diesem Zentrum fanden die ersten Imam-Seminare nach dem 11. September 2001 statt, bei denen die Gemeinden bundesweit zur Wahrung der Sicherheit der gesamten Gesellschaft und zur tatkräftigen Mitwirkung gegen verfassungsfeindliches Gedankengut und gesetzwidriges Handeln in den muslimischen Gemeinden motiviert wurden.
In diesem Zentrum fanden und finden immer noch regelmäßig Begegnungen mit Vertretern des Bistums, der Evangelischen Kirche und aller anderen Religionsgemeinschaften statt.

Diese und viele nicht aufzuzählenden Aktivitäten finden bei den Muslimen Akzeptanz und Dankbarkeit.
Sie sollten auch seitens der Öffentlichkeit gewürdigt und unterstützt werden, damit diese Linie der Konstruktivität und Mäßigung noch mehr Anhänger und Nachahmer unter den Muslimen findet.

Ich beglückwünsche unsere Geschwister im Islamischen Zentrum Aachen zu diesem Jubiläum und bitte Allah für sie um Festigung auf ihrem Weg und Belohnung ihrer Taten.
Ich gratuliere aber vor allem der Stadt Aachen zu diesem Juwel, das sie mitten in ihrem Herzen beherbergt. Möge Aachen es stets in Ehre und Würde behalten.




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