Newsnational Sonntag, 01.12.2002 |  Drucken

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Islam-Medienpreis für Annemarie Schimmel - Laudatio von Mohammad Aman Hobohm (ZMD)

"Wissenschaftliche Objektivität und Liebe zur Religion und Kultur müssen keine Gegensätze sein"

Osnabrück - Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel ist am Samstag in Osnabrück mit dem Muhammad-Nafi-Tschelebi- Medienpreis ausgezeichnet worden. Der mit 2500 Euro dotierte Preis wird vom Zentralinstitut Islam-Archiv Deutschland an Menschen vergeben, die mit ihrem Islamverständnis für Völkerverständigung steht, teilte das Institut mit.

Die Laudatio hielt der Stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Mohammad Aman Hobohm, von der wir hier Auszüge anlässlich der Preisverleihung ablichten:


"Seit mehr als 50 Jahren - einem halben Jahrhundert! - haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt, sodass uns viele gemeinsame Erinnerungen an Menschen und Ereignisse verbinden,die wohl keiner von uns beiden missen möchte. Vor allem aber habe ich aus eigenem Erleben Zeuge dessen sein dürfen,was Anlass der heutigen Ehrung ist: Ihr unermüdliches Bemühen um einen Brückenschlag zwischen Orient und Okzident,zwischen der Welt des Islam und dem Westen,zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen.

Fast noch ein Kind,erkannten Sie,sehr verehrte Frau Professor Schimmel,wie Sie es selbst beschreiben "beim Schmökern in vielen Büchern über den Fernen Osten,über Indien,China und Japan:- Der Orient ist meine Welt!" Und von diesem Tage an haben Sie den Orient,vor allem die Welt des Islam in allen ihren Aspekten, ganz konsequent zuI h r e r Welt gemacht
(...)
Ihre Kompetenz und Gelehrsamkeit als Islamwissenschaftlerin sind über jeden Zweifel erhaben und weltweit anerkannt. Ehrendoktorwürden, Preise, darunter der "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels",und zahlreiche sonstige wissenschaftliche Ehrungen beweisen das. Was Sie aber uns Muslime so nahe gebracht hat,das ist mehr als wissenschaftliche Kompetenz.Sie haben sich den Respekt und die Zuneigung von Millionen von Muslimen überall in der Welt erworben, weil Sie wie niemand anders verbunden haben,was der grosse muslimischen Dichter und Philosoph des Indo-pakistanischen Subkontinents,Muhammad Iqbal,als "zwei Stimmen einer Melodie, vom Schöpfungstag her vereint" bezeichnet hat: Ilm - o - ishq, Wissenschaft und Liebe! Ihre Liebe zum Gegenstand Ihrer Studien,dem Islam und den Muslimen,die in allem,was Sie sagen und schreiben zum Ausdruck kommt,hat ein millionenfaches Echo in unseren Herzen ausgelöst.

Sie sind der Beweis dafür, dass wissenschaftliche Objektivität und Liebe keine Gegensätze sein müssen und sich nicht gegenseitig ausschliessen. Viele Orientalisten,vor allem Islamwissenschaftler früherer Generationen hatten nicht nur keine Sympathien für den Islam,sondern erwecken den Eindruck,dass sie den Islam studierten,um ihn besser diffamieren zu können.Das ist heute Gottseidank nicht mehr so. Heute herrscht durchaus eine grössere Objektivität und der ehrliche Wille dem Islam und seinen Anhängern gerecht zu werden - aber "Ishq" - Liebe? Nein! Da stehen Sie ziemlich allein da!
(...)
Durch Ihre zahlreichen Vorträge in vielen Sprachen und in vielen Ländern,sowie durch Ihre ebenfalls zahlreichen Veröffentlichungen haben Sie,sehr verehrte Frau Professor Schimmel,eine Brücke geschlagen zwischen Orient und Okzident,zwischen der Welt des Islam und der westlich-abendländischen Welt.
(...)
Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen - Zeichen, die uns Muslime mit Sorge erfüllen, auch erfüllen müssen - dann ist es um das Verhältnis zwischen der westlichen Welt und der Welt des Islam gegenwärtig schlecht bestellt.

Zu den alten Klischees,vom Islam als einer Religion der Gewalt,die mit Feuer und Schwert ausgebreitet wurde,die der Frau die Seele abspricht,und nach der die Welt in zwei "Häuser",unterteilt ist,dem "Dar ul-Islam", dem Haus des Friedens - nämlich den vom Islam beherrschten Gebieten - und dem "Dar ul-Harb",dem Haus des Krieges,den nicht vom Islam unterworfenen Ländern,die es aber zu unterwerfen gilt, ist ein neues hinzugekommen,das "Feindbild" vom Islam: Islam als der Feind der zivilisierten Welt,als Gegner von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, deren Anhänger die Menschenrechte missachten und nach Weltherrschaft streben.
(...)
Es liegt in unser aller Interesse, dass es nicht dazu kommt, und um die Verwirklichung eines solchen Szenarios zu verhindern ,bedarf es Persönlichkeiten wie Sie, sehr verehrte Frau Professor Schimmel, die ihre ganze Schaffenskraft und ihre wissenschaftliche Kompetenz einsetzen, um aufzuklären und der Wahrheit den Weg zu bereiten.Und genau das haben Sie getan - Ihr Leben lang! Trotz harter Kritik,ja Anfeindung,selbst aus Kollegenkreisen! Wir alle können nur hoffen und beten, dass Ihre Saat aufgeht.

Wenn wir davon sprechen, dass jemand Brücken baut, und aus gegebenem Anlass denken wir dabei heute vor allem an Sie, liebe Frau Professor Schimmel, dann sollten wir nicht vergessen, dass jede Brücke an zwei Ufern verankert ist - hüben und drüben.

Sie haben durch Ihre Vorträge und Veröffentlichungen nicht nur bei Ihren nicht-muslimischen Lesern und Zuhörern so manches Vorurteil über den Islam und die Muslime abgebaut, Sie habe auch den Muslimen unter Ihren Lesern und Zuhörern die Augen für Facetten ihrer Religion geöffnet, die nur leider bei allzu vielen entweder nicht bekannt, oder wo sie bekannt sind, nur allzu oft verdrängt werden.
(...)
Sie legen Zeugnis ab von der Schönheit Gottes und seiner Religion, und dafür möchte ich Ihnen als Muslim und in meiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, der es als eine grosse Ehre betrachtet, mit Ihnen durch Ihre Mitgliedschaft in seinem Beirat eng verbunden zu sein - dafür möchte ich Ihnen aufrichtig und von ganzem Herzen danken. Auch wir Muslime können von Ihnen viel lernen und sollten das auch tun.Ich gratuliere Ihnen zu der Ihnen heute zuteil gewordenen Ehre."





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